Mit den Stücken "Innengang" (Opus 190a) und "some folk" (Opus 191) sind die Vier EvangCellisten gleich zweimal auf der neuen CD von Wolfram Graf vertreten. Die beiden Stücke sind in eine Auswahl von Kammermusikwerken verschiedenster Besetzungen eingebettet und ergeben ein äußerst hörenswertes und vielseitiges Bild des Komponisten.

Begrenzt werden die Stücke von Grafs "Ich-Blick II - Ritornell" (Opus 184/1) für Kammerorchester,  aufgenommen von audiotransit im Richard-Wagner-Saal in Bayreuth 2011. Das impulsive Werk, eingespielt vom KlangKonzepteEnsemble Nürnberg unter der Leitung von Hideto Nomura, stellt die größte Besetzung dar und erklingt zu Beginn und Ende der CD. Es ist voller Effekte und Raffinessen, assoziiert pure Spielfreude und eröffnet optimistisch die folgenden knapp 70 Minuten Musik. Dem interessierten Hörer wird in einer sehr bewussten Reihenfolge verschiedenster Klangfarben nicht nur der Einstieg in die akustische Welt des Wolfram Graf erleichtert - der Wechsel der Besetzungen macht die CD auch zu einem kurzweiligen (wenngleich anspruchsvollen) Hörgenuss, was in unserer hektischen Zeit sicherlich von Vorteil ist.

 

In der Fassung für zwei Flöten (Robert Aitken und Martin Seel) folgt der "Ich-Blick IV" (Opus 184/4) von einer Konzertaufnahme im März 2014 im Rokokosaal des Kunstmuseums in Bayreuth. Der starke Kontrast - von der Orchesterbesetzung des ersten Stückes hin zu intimen Flötenklängen - versetzt den Hörer zu nachdenklicher Ruhe und zeigt einmal mehr, wie weit gefächert Kammermusik doch sein kann. Martin Seel ist hier zum wiederholten Male in seiner vielseitigen Zusammenarbeit mit dem Komponisten zu hören. Der Flötist der Hofer Symphoniker war es auch, der die EvangCellisten 2012 mit Wolfram Graf zusammenbrachte. Dies war der Grundstein für eine Kooperation, aus der auch die Stücke "Innengang" und "some folk" hervorgingen. Beide wurden von Thomas Liebmann im August 2012 beim Weimarer Tonstudio  T&B digital aufgenommen und waren ebenso Teil der 2013 erschienenen CD "journey" der Vier EvangCellisten - natürlich auch mit Martin Seel als Bassflötisten im "Innengang". Dem besonderen Klang dieses selten benutzten Instrumentes bot das Celloquartett einen weichen Streicherteppich als musikalische Grundlage und Begleitung.

Zwischen diesen beiden Stücken erklingt Grafs "Existenz" (Opus 153) für Altblockflöte (Andreas Böhlen), Violine (Geeta Abad) und Marimbaphon (Tobias Guttmann). Dieses sicher nicht zufällig an Weltmusik erinnernde Stück erzeugt beim Hörer eine Art "verinnerlichte Weite". Mal einstimmig, dann wieder sehr vielstimmig, drückt es uns die Dialektik unserer eigenen Existenz auf. Es wurde 2009 von Daniel Keinath in der Hochschule für Musik Detmold aufgenommen und vertieft die schon im "Innengang" aufgekommene Nachdenklichkeit weiter, bevor diese dann im tänzerischen "some folk" tempo- und kontrastreich durchbrochen wird. Hier werden die Vier EvangCellisten nun auch technisch gefordert - wenn stampfende Folklore und hohe Virtuosität in einem musikalischen Aufbruch zu immer höherer Komplexität verschmelzen.

Mit des Sätzen "Moorlichter", "Am Horizont" und "Die Wand" folgen Wolfram Grafs "Grenzen - drei Stimmungsbilder" (Opus 159) für Sopransaxophon (Jan Schulte-Bunert) und Klavier (Florian von Radowitz). Die bereits 2008 von audiotransit im Kammermusiksaal Steingräber & Söhne (Bayreuth) gemachten Aufnahmen sind vielfarbige Impressionen, jede recht kurz (unter zehn Minuten), aber durchaus anspruchsvoll. Die Einspielung beeindruckt mit einer starken Präsenz der Musiker und einer großen Bandbreite an zum Teil ungewöhnlichen Spielweisen. Grenzen scheinen für Graf vielschichtig zu sein, da keiner der Sätze einseitig angelegt ist. Somit wechselt die "Grenze" vor dem inneren Auge ihre Erscheinung und gibt den Stücken eine nachdenkliche Tiefe. Dennoch hat gerade der dritte Satz ("Die Wand") eine recht unversöhnliche Aggressivität, bei welcher die Gedanken nur kurz aus dem durchaus beabsichtigtem Unbehagen entstehen können, bevor das Stück wieder mit erbarmungsloser Härte schließt. Dies führt aber zielsicher zum bereits am Anfang gehörten Ritornell und spannt somit natürlich den musikalischen Bogen.

 

 

 

"wolfram graf   kammermusik I - chamber music I"

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