Gemeinsam aktiv trotz Pandemie

Hochfränkische Tonkünstler produzieren CD

 

Der Tonkünstlerverband Hochfranken e.V. hat im Dezember 2020 seine erste eigene CD produziert. Man habe sich dazu entschlossen, um speziell in diesen Tagen ein Signal für Kunst und Kultur zu senden und den Mitgliedern trotz ausfallender Konzerte eine Plattform zu bieten, teilte der Vorstand mit.

Wie bereits der Titel „Musikalisches Kaleidoskop Hochfränkischer Künstler“ verrät, schließt diese CD an die Fusionskonzerte des Tonkünstlerverbandes Hochfranken an. Im Mittelpunkt steht hier die Begegnung verschiedener Kunstsparten mit Musik. Dahin gehend erlebte das Publikum im ersten Konzert dieser Serie „Konzertantes Kaleidoskop“ im Jahr 2019, wie sich improvisatorisch und kreativ Musik, Tanz und darstellende Kunst vereinten und die Mitwirkenden neue gesamtkünstlerische Dimensionen ausloteten.

Bei der vorliegenden CD handelt es sich um ein Tête-à-Tête zwischen Musik, Lyrik und Graphikdesign. Zu hören ist ein lebendiges, abwechslungsreiches Musizieren in verschiedenen Musikstilen. Dabei sind die Hälfte der Tracks den Komponisten Dr. Wolfram Graf, Sławek Dudar und Dietmar Ungerank gewidmet, die alle in Hochfranken leben und arbeiten.

 

Zyklus

Gedichte von Salvatore Rinnone inspirierten Dietmar Ungerank zu den „Zwölf Impromptus“ für 2 Gitarren. Im Jahr 1981 schrieb Rinnone seine „Pensieri lirici“, die 12 Gedichte über die einzelnen Monate des Jahres beinhalten. Demnach beginnt der Zyklus mit dem Monat „Januar“, den Rinnone folgendermaßen beschreibt: „Ich verbringe die Tage / und tue nichts / ich schaffe es nicht / und tue nichts / ach! wo ist der Mut / meiner zwanzig Jahre / ja, sogar einundzwanzig“ (Deutsche Übersetzung aus dem Italienischen). Ungerank setzte Rinnones Gedanken und Stimmungen in Musik, die er zusammen mit Ewa Margareta Cyran einspielte. Die CD enthält einen Auszug aus den „Zwölf Impromptus“, nämlich „Gennaio“, „Marzo“, „Luglio“, „Agosto“, „Settembre“ und „Ottobre“.

Im Anschluss daran eröffnen der Flötist Martin Seel und die Pianistin Chie Honda die „Suite symphonique“ von Wolfram Graf. Stimmungsvoll beginnt der erste Satz „Schnell“ mit einem dramatischen Einstieg und geht über in einen einzigen, ausgehaltenen Flötenton. Flüchtige Augenblicke prägen die Atmosphäre des farbigen ersten Satzes. Ostinate Motive wechseln sich ab mit virtuosen, flirrenden Tongirlanden, über denen sich wiederkehrend der einsame Ton der Flöte erhebt. Seel und Honda stellen den ersten und dritten Satz der Suite vor.

Dreht man das musikalische Kaleidoskop etwas weiter, laden die zwei Titel von Sławek Dudar den Hörer in die Welt des Contemporary Jazz ein: „NYC Waltz“ stammt ursprünglich von dem Album „Brand New World“ (2010). Danach experimentierten die Mitglieder des „Sławek Dudar Quartet” über zwei Jahre, bevor sie „Red Man“ erstmals für ihr Album „Inside the City“ aufnahmen.

Neben den hochfränkischen Kompositionen spielt Yasuko Sugimoto-Shestiperov Chopins berühmtes „Scherzo Nr. 1“ in h-moll und den „Dance Russe“ aus Igor Stravinskys „Trois Mouvements de Pétrouchka“ am Klavier, bevor sich Ulrike Schelter-Baudach musikalisch mit dem „Chorus of Angels“ des englischen Komponisten Frederick Scotson Clark auseinandersetzt.

Daneben sind auf der Disc mehrere Erstveröffentlichungen vertreten, die unter anderem für die barocke Seite der Aufnahme sorgen. Gitarrist Jens Gottlöber spielte eigens für dieses Projekt David Kellners „Fantasie A-Dur“ ein und Harald Oeler überrascht am Bajan mit den Sonaten in Des-Dur und fis-Moll von Antonio Soler. Ebenso stellt Blockflötistin Silvia Müller mit ihrem „Ensemble Wooden Voices“ eine bisher unveröffentlichte Aufnahme zur Verfügung: „Allemanda“ und „Corrente“ aus „Sonate I“ von Arcangelo Corelli. Wie die „Vier EvangCellisten“ die romantischen Linien nuanciert gestalten, zeigt deren Ersteinspielung von Josef Werners „Elegie op. 21“. Im Gegensatz zu romantischer Tiefgründigkeit musizieren Geiger Helmuth Reichel und Harald Oeler am Bajan locker und beschwingt Cole Porters Jazzstandard „Night and Day“.

Jedoch stellt die divergente Programmgestaltung den Graphikdesigner Sebastian Schumann vor eine Herausforderung. Denn wie kann das Cover für eine solch mannigfaltige CD gestaltet werden? Schumann zufolge wäre die klassische Reaktion, nicht konkret zu werden und sich für abstrakte Kunst zu entscheiden. „Dies war mir zu langweilig.“, sagt er. Deswegen überlegte er, ob es ein Urinstrument gibt – etwas, dass allen Musikstücken zugrunde liegt. So kam ihm die Idee des Schädels als essentieller Klangkörper für lautliche und musikalische Äußerungen.

 

Kaleidoskop

In Anlehnung an den Titel „Musikalisches Kaleidoskop“ durchläuft der Schädel verschiedene Transformationen, indem Schumann diesen an einer willkürlich gewählten Achse spiegelt und dem Betrachter vielfältige Perspektiven des Schädels zeigt. Figur 0 auf dem Cover bildet den ursprünglichen Zustand des Widderschädels ab. Darüber hinaus erläutert Schumann, dass das abgesägte Horn auf ein Einhorn hinweisen solle und seinem Werk eine fantastische und mystische Note verleihe.

Im Allgemeinen ist das Einhorn als ein Symbol für Reinheit, Freiheit und Meinungsvielfalt bekannt. Als mythisches Krafttier kämpft es gegen Gefahren, widersetzt sich allen Krankheiten und bringt Tote wieder ins Leben zurück. Hier zieht Schumann eine Parallele zum aktuellen Kulturbetrieb, der zwar zu Zeiten der Pandemie einer „aussterbenden Spezies“ gleiche, aber in der Zukunft wieder erblühen werde. Seiner Ansicht nach erweitere die Assoziation zum Einhorn die Gestaltung um eine Bedeutungsebene, die den Betrachtern Hoffnung bringen solle.

Dies unterstützt auch die Farbwahl, die nach den Worten Schumanns den morbiden Charakter des Schädels aufweiche und dadurch einen Kontrapunkt zum Tod setze. Ursprünglich war die Farbe Rosa noch in den 1920er Jahren mit Stärke und Entschlossenheit konnotiert und daher ein charakteristischer Farbton für Jungen, wohingegen Hellblau als zarte und anmutige Farbe den Mädchen vorbehalten war. Im Laufe des 20. Jahrhunderts vertauscht jedoch die Blau-Rosa-Farblehre ihr Geschlecht und Rosa entwickelt sich zum Inbegriff des Weiblichen. Schumann hingegen definiert Rosa geschlechtsneutral als „zarte Farbe, das Feine, den Hautton oder auch als Fleischfarbe“, mit der er „das Geschlechtliche als Ausgangspunkt des Lebens“ assoziiert. Demnach spiegelt die Farbe Rosa in diesem Kunstwerk Sanftheit, Körperlichkeit und Hingabe wider und repräsentiert allegorisch das Leben.

Jedenfalls regte das Design die Vereinsmitglieder zu Gesprächen an. Die Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk und fantasievolle Deutungsversuche lösten anfangs gemischte Gefühle bei ihnen aus. Manch einer meinte, „diese morbiden, knochen- und skeletthaften oder auch sonstige Innereien darstellende Zeichnungen“ seien kein erfreulicher Anblick und in der aktuellen Situation unzumutbar. Die Pianisten Tamara Geißner berichtete: „Tatsächlich habe ich auch sehr lange dieses Cover angeschaut … trotzdem – oder gerade deshalb – toll!“

 

Ein Zeichen setzen

Sebastian Schumann freut sich über die Kunsterfahrungen seiner Musikerkollegen. Laut dem österreichischen Philosophen Konrad Paul Liessmann darf Kunst schockieren und zwar „durch ihre sinnliche Qualität“. Erst die Reaktion des Schocks ermögliche eine authentische Kunsterfahrung, äußert Liessmann. Im Diskurs der Interpretationen erklärt Schumann verschmitzt, dass in der Welt der klassischen Musik die Covergestaltung meist nur Dekoration und keine Kunst sei. Er habe sich für die Kunst entschieden.

Dem Vorstand war es wichtig, mit diesem Projekt ein Zeichen zu setzen, denn gerade in den letzten Monaten vermissen wohl alle Musik, Kunst und Kultur als sozialen Akt schmerzlich: „Kulturelle Veranstaltungen als Entspannung, Genuss und Ablenkung, aber auch als Auseinandersetzung mit Neuem oder Fremden bis hin zur Kontroverse sowie Meinungsbildung, Eigenwahrnehmung und Mut zur Eigenständigkeit war und ist alles wichtig und musste zunehmend entbehrt werden. Wenn diese CD es schafft, Ihnen hier und da zu gefallen, Sie aber auch an anderer Stelle ein wenig herausfordert, dann sind wir ein paar unserer Aufgaben als Künstler gerecht geworden, nämlich uns als Verband vielseitiger, unabhängiger Künstler für einen Platz aller in dieser Gesellschaft einzusetzen“, schrieb der 1. Vorsitzende Markus Jung in einem Rundbrief an die Vereinsmitglieder. Er und die stellvertretende Vorsitzende Christa Klie organisieren und realisieren die CD-Projekte. Bearbeitet hat diese CD das Bayreuther Label „audiotransit“. Da das Interesse der Mitglieder groß war, ist bereits die Erscheinung einer weiteren CD im Jahr 2021 geplant. Um den Mitwirkenden die versprochene Außenwirkung zu gewährleisten, wird im Frühjahr die aktuelle CD auch online veröffentlicht. Informationen zu den aktuellen CD-Projekten und wie Sie diese CD erhalten können, finden Sie auf der Homepage des Tonkünstlerverbandes Hochfranken unter https://www.tkv-hochfranken.de. - Eva Enders, nmz (Neue Musikzeitung), Ausgabe März 2021

(Eva Enders)

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