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Alumni Lisztani: Die Vier EvangCellisten nutzen intensiv die Freiheit, nicht von ihrem Quartettspiel leben zu müssen
Ohrwürmer im neuen Gewand“ oder „Arien ohne Worte“: So betitelte die Presse die erste CD Cellopera der Vier EvangCellisten, die im November 2011 erschien und sich Opernarrangements für Celloquartett widmet. Markus Jung, Hanno Riehmann, Lukas Dihle und Mathias Beyer – alle Absolventen der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar – gründeten 2008 ihr Ensemble. Die Inspiration für ihren Quartettnamen bezogen sie aus der Ähnlichkeit ihrer Vornamen mit den Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. LISZT-Magazin-Autorin Lorina Mattern traf sich mit den Musikern zum Gespräch.
Ein ganz normaler Klassenabend der Weimarer Cello-Klasse von Prof. Maria-Luise Leihenseder-Ewald: Acht Studierende spielen gemeinsam Bearbeitungen von Opernarien, die anderen Kommilitonen hören zu. Vier der Spieler packt dabei plötzlich die Lust an der Kammermusik und sie proben bald häufiger zusammen. Aus einer schlichten Unterrichtssituation entwickelt sich ein festes Ensemble: Die Vier EvangCellisten spielen seit nunmehr vier Jahren zusammen. Markus Jung erinnert sich: „Ich hatte viele Visionen für unser Quartett, aber es war erst mal nichts Langfristiges geplant. Schnell erkannten wir jedoch das Potential. Es machte Spaß und gab wenig Reibungen.“ Auch von der Besetzung ist er überzeugt: „Mit dem Cello geht fast alles, man kann ganz hoch und ganz tief spielen. Damit bietet es genau so viele Möglichkeiten und Klangfarben wie ein Streichquartett.“
Dabei stand die Kammermusik bis dahin nie im Vordergrund: Alle vier sind passionierte Orchestermusiker und erspielten sich nach Studienabschluss Engagements in Weimar, Hof, Herford und Meiningen. Diese haben auch heute noch Priorität, erklärt Hanno Riehmann: „Orchesterspiel ist das, was ich immer machen wollte. Kammermusik ist auch gut, aber das allein wäre mir zu wenig.“ Momentan geben die festen Stellen ihm und seinen Kollegen die Möglichkeit und Sicherheit, in Ruhe ihrer „Nebentätigkeit“ nachzugehen. „Wir haben zwar wenig Zeit, aber wenn wir uns treffen, arbeiten wir intensiv und müssen uns keine Sorgen um morgen machen“, fasst Markus Jung die Situation zusammen.
Autodidaktische Selbstvermarktung
Auch für Lukas Dihle war die Orientierung auf spätere Engagements in Orchestern im Studium das Wichtigste. An der Weimarer Musikhochschule schätzt er vor allem die vielseitigen Möglichkeiten – von Projekten bis hin zu Substituten-Stellen und die gute Ausbildung im Orchesterspiel. „An anderen Hochschulen wird das oft vernachlässigt, um die Studenten auf solistisches Können zu trimmen.“ Das sei zwar wichtig für Probespiele, aber für den Orchesterjob letztendlich nicht entscheidend. Doch so gänzlich nebenbei lässt sich das Ensemblespiel auch nicht betreiben: Selbstorganisation und Eigenwerbung sind gefragt, was wieder ganz andere Fähigkeiten erfordert.
„Wir haben uns unsere Vermarktung zum Großteil selbst beigebracht und dabei viel gelernt“, sagt Dihle. Allein die Koordination von Terminen ist schon eine Herausforderung, denn bei den vielen anderen Verpflichtungen soll durch zusätzlichen Stress die Freude am Quartettspiel nicht verloren gehen. „Ich finde, dass Kulturmanagement in die Studienpläne gehört, weil der Trend dahin geht, immer mehr feste Ensembles aufzulösen, ohne dass zugleich die Nachfrage sinkt. In vielen kleineren Städten wird momentan viel aufgebaut, kleine Festivals entstehen. Hier hilft uns unser Selbstmanagement, auf dieser Ebene aktiver zu werden. Das kommt wahrscheinlich auf uns alle immer mehr zu“, prognostiziert Markus Jung.
Leidenschaft für die Oper
Einiges an Selbstdisziplin und Engagement forderte auch die Produktion ihrer ersten CD Cellopera. Die Erfahrungen aus ihren Orchestern nutzend, nahmen die Vier EvangCellisten ausschließlich bislang uneingespielte Arrangements von bekannten Opernarien auf – als Alleinstellungsmerkmal unter Celloquartetten. Mit ihrem Studium in Weimar verbinden sie gemischte Gefühle. Lukas Dihle empfand den Anspruch in seiner Celloklasse als sehr hoch und die Konkurrenz zwischen den Studierenden als stark. „Der Druck war groß. Man kennt sich ja und wird ganz anders beobachtet, da tritt man nicht gern vor Kollegen auf.“ Markus Jung schätzt das kulturelle Umfeld: „Weimar ist ein Kulturzentrum, ohne Frage, das wird mir jetzt eigentlich erst zunehmend bewusst.“
Um auf eigenen Füßen zu stehen, musste das Quartett zunächst seinen Wurzeln den Rücken kehren: Ihr erstes erfolgreiches Konzert absolvierten sie in Tübingen, generell treten sie viel in Süddeutschland und auf Festivals auf. Auf ihrer zweiten CD, die im Sommer 2012 aufgenommen wurde, spielten die Vier EvangCellisten dann aber doch wieder mit alten Freunden aus Weimar als Gastmusikern zusammen – und mischten ihre anhaltende Leidenschaft für die Oper mit südamerikanischem Tango. Markus Jung hat noch einen Tipp aus eigener Erfahrung parat. „Gute Kammermusik ist für jeden aktiven Orchestermusiker ein guter Ausgleich. Das Quartettspiel ist bei mir zwar zufällig entstanden, hat mich aber beflügelt, Sachen zu machen, die ich sonst nie ausprobiert hätte und die im Studium gar nicht vorgesehen waren.“
Lorena Mattern
Die Vier EvangCellisten im Bild [...] (v.l.n.r.): Hanno Riehmann, Lukas Dihle, Mathias Beyer und Markus Jung
aus Liszt-Magazin 2012, Nr. 3